ich werde hier sein im sonnenschein & im schatten
konzerttheater bern
Premiere am 17. Mai 2014 in einem Steinbruch bei Bern.
Abfahrt mit Bussen am Stadttheater Bern.
Regie Jan-Christoph Gockel
Musik & Hörspiel Matthias Grübel
Bühne Julia Kurzweg
Kostüme Dorothee Joisten
Dramaturgie Karla Mäder
Mit Sophie Hottinger, Bernhard Schneider, Benedikt Greiner, Jürg Wisbach, Milva Stark, Pascal Goffin, Henriette Blumenau, Valentin Klos
Lenin hat 1917 das Exil in der Schweiz nicht verlassen, sondern hier die Sowjetunion gegründet. Russland ist von Minsk bis zum Ural verstrahlt und unbewohnbar, die Amexikaner sind in die weltpolitische Bedeutungslosigkeit abgesunken und haben ihre Grenzen dicht gemacht; aufstrebende Staaten sind Hindustan und Korea. Neu-Bern ist eine der Hauptstädte des bolschewistischen Riesenreichs, das bis nach Schwarzafrika reicht, wo Schweizer Divisionäre das Land zivilisiert, urbanisiert, Schulen, Krankenhäuser, Universitäten und auch Militärschulen aufgebaut haben. «Die Schweiz, sie verdankt Afrika viel.» Vor allem Nachschub an Menschenmaterial, das den Krieg führt, der nun schon so lange dauert, dass sich niemand mehr an Frieden erinnern kann.
Aus Nyasaland (heute Malawi) stammt die Hauptfigur des Romans, ein afrikanischer Offizier, der vom Obersten Sowjet als Parteikommissär in die Schweizerische Sowjetrepublik beordert wird. Er soll in Neu-Bern einen ideologisch verdächtigen jüdisch-polnischen Offizier festnehmen. Zu Pferd verfolgt er den Flüchtigen Richtung Alpen aareaufwärts durch ein kriegsmüdes, zerfallendes Land, bis er schliesslich durch einen Eingang im Schreckhorn das Réduit betritt. Dieses mythische Zentrum des Landes, «Kern, Nährboden und Ausdruck unserer Existenz», trotzt seit 96 Jahren den Angriffen der Faschisten. In den unendlichen Gängen des Réduits findet der Kommissär zwar den Gesuchten, verliert sich jedoch unter dessen Führung in einer Fülle von psychedelischen Eindrücken, bis er es schafft, die Alpenfestung gen Süden, gen Afrika zu verlassen.
Der Roman des polyglotten Schweizer Autors Christian Kracht erschien 2008. In ihm gehen Geschichtsparodie, Sprachkritik, Dystopie, Phantastik und Poesie eine wundersame Verbindung ein, die direkt ins Schweizer Herz der Finsternis führt. Und so wird das Stück in einem vor den Toren Berns gelegenen Steinbruch spielen, der seit etwa 650 Jahren in Betrieb ist.
«Was Regisseur Jan-Christoph Gockel anstellt mit einem Roman von Christian Kracht, ist erstens durchdacht, zweitens richtig und drittens ziemlich aufregend. (…) Die Schauplätze des Romans liegen vor der Haustür, Gockel packt die Chance und projiziert das Szenario auf diese Realität, statt es auf der Bühne nachbilden zu wollen: Er bespielt die Gegend mit dem Text.» Daniel Di Falco, Der Bund, 19. Mai 2014.
«Als Mischung zwischen Sightseeing-Tour, Hörspiel und Anti-Heimatmuseum hat Konzert Theater Bern Christian Krachts Roman inszeniert. Die Busexkursion in den fiktiven Hundertjährigen Schweizer Krieg fährt ein. (…) Das Besondere daran ist die Atmosphäre im ‘Réduit’: die Schäbigkeit der rückgebauten Zivilisation, Bombenlärm udn Lichtspektakel und der damit kontrastierende Geruch nach Lagerfeuer und Kuhfladen, den jeder Schweizer mit schönen Schulreisen verbindet.» Irène Widmer, sda, 18. Mai 2014
«In einem beeindruckend mächtigen Steinbruch tut sich eine wahnsinnig aufwendige und apokalyptisch-poetisch anmutende Jahrmarktszenerie auf. Die Chronologie der Geschichte löst sich hier in ein assoziatives szenisches Nebeneinander auf. (…) Doch was kann das Theater besser, als unmittelbare Erlebnisse zu schaffen? Und dafür wurde weder an Material noch an Technik gespart. Sinnlich und eindrücklich wirkt das allemal.» Anna Serarda Campell, Radio SRF 2 Kultur, 19. Mai 2014
«Kann man Christian Krachts düsteren Antizivilisationsroman tatsächlich auf eine Theaterbühne bringen? Man kann – vorausgesetzt, die Spielstätte ist ein Steinbruch und die Fahrt dahin bereits Teil des Spektakels. Dies beweisen Konzert Theater Bern und Regisseur Jan-Christoph Gockel in ihrer neuesten Zusammenarbeit mit einer kongenialen Inszenierung der Krachtschen Dystopie. (…) Tatsächlich ist es das assoziative Schauspiel, das den nicht fassbaren Charakter von Krachts Roman einzufangen vermag.» Carolina Bohren, Berner Zeitung, 20. Mai 2014