fidelio
oper/theater aachen
Fidelio
Oper in zwei Akten von Ludwig van Beethoven
Premiere am 15. September 2013, Theater Aachen
Musikalische Leitung: Kazem Abdullah
Inszenierung: Alexander Charim
Bühne und Kostüme: Ivan Bazak
Sounddesign: Matthias Grübel
Choreinstudierung: Andreas Klippert
Dramaturgie: Michael Dühn
zur Form
Für die Inszenierung arbeiten wir mit einer eigenen zusätzlichen narrativen Audioebene, für die ich einige hörspielartige Text-Klang-Miniaturen produziert habe. Verdichtete Dialogzeilen aus dem Originaltext von Beethoven (aufgenommen mit einigen Schauspielern aus dem Ensemble des Schauspiel Aachen) treffen in diesen Soundscapes auf assoziative Geräuschwelten, die die Worte und Gedanken aus den Köpfen der Figuren in den Raum des Theaters ziehen und sie in einer akustischen Zoom-In-Bewegung vergrößern. So entsteht auch ein völlig anderes Zusammenspiel zwischen der komponierten Musik und den Texten.
zum Inhalt
Kleinbürgermilieu, Heldenmut und Freiheitspathos – Ludwig van Beethovens einzige Oper enthält ganz verschiedene Elemente: Die Frau eines politischen Gefangenen schleicht sich unter dem Namen Fidelio und als Mann verkleidet in die Familie seines Kerkermeisters ein. Als sich die Lage zuspitzt, gelingt ihr das Unmögliche: Sie befreit ihren Mann aus der Gefangenschaft. Nach dem berühmten »O namenlose Freude« preist der herbeigeeilte Minister die erfolgreiche Retterin Leonore als Musterbeispiel der treuen Ehefrau. Jedoch ist sein Ausspruch »Es sucht der Bruder seine Brüder. Und kann er helfen, hilft er gern.« eher demonstrative Pose als gelebte gesellschaftliche Praxis. Und so wird das Jubelfinale auch zum Ausdruck unerfüllter kollektiver Hoffnungen. Das Sujet von Beethovens Oper hat über 200 Jahre nach der Uraufführung nichts von seiner Dringlichkeit verloren – vor allem, weil es gepaart ist mit großer emotionaler Wucht und einer unmittelbar mitreißenden Musik!
Kritik aus der Aachener Zeitung:
So einen Wohlfühl-„Fidelio“, bei dem die schöne, treuherzige Leonore die Wonnen der ehelichen Liebe besingt, bis sie schließlich ihren zwar ausgemergelten, aber stramm zu seinen Prinzipien stehenden Florestan aus dem dunklen Kerker der Tyrannei ans Licht der Freiheit zieht und alles „Heil“ und „Glück“ und „Freude“ schmettert – das will Alexander Charim sich und dem Aachener Publikum dann doch nicht zumuten. Der junge Wiener Regisseur Alexander Charim hat sich bei seiner ersten Arbeit in Aachen ausgiebig am Beethoven’schen Pathos abgerackert. Dessen in drei Fassungen überliefertem Bühnenwerk streicht er die Dialoge komplett und ersetzt sie durch eine Art szenisches Hörspiel. Dazu hat Matthias Grübel Texte von Charim, Beethoven und Marguerite Duras zu einem manchmal auf die Schmerzgrenze zielenden Vierkanal-Soundtrack verarbeitet. Das Ganze bildet dann einen eigenen, eigenständigen, sehr theatralen Gegenentwurf zu den Arien und Ensembles. […] Charims Arbeit ist mutig, konsequent, schlau. Aber reichlich übergriffig. Das kommt bei weiten Teilen des Aachener Publikums nicht gut an: Die Premiere endet in einem Buh-Konzert. Man darf also streiten, ob der Start in die neue Spielzeit gelungen sei. Also lässt sich das Premierenpublikum nicht lange bitten und diskutiert schon in der Pause, was das Zeug hält. Das mag als Zwischenergebnis verbucht werden, und zwar als ein positives. Denn was wäre schlimmer als ein Theater, das nicht bewegt? […] Dann die Ouvertüre und wieder dieses weiße Zimmer mit den blassblauen Wolkenwänden, in dem Leonore sich in Fidelio verkleidet. Ein Tagebuch („Der Schmerz“ von Duras), ein blaues Kleid, Trauer, Verlust, Hoffnung. Das Spiel beginnt, die Bühne dreht sich. Zum rosa Wohnzimmer von Familie Kerkermeister; zum Gefängnishof mit Tomatenbeet und Bergidyll-Wandmalerei. Alles ist eins in diesem Meisterwerk von Bühnenarchitektur, für das Ivan Bazak verantwortlich ist. Und über allem, im gläsernen Oberstübchen, Don Pizarros Überwachungszentrale.
[…] Auf eine irritierende Weise wirken die musikalischen Szenen zunächst wie Fremdkörper zwischen den hörspielartig eingefügten Passagen, die im Grunde ja Träger der Handlung sein sollen, während im Gesang die Zeit gewissermaßen gefriert. Doch diese Fremdheit hat Methode: Charim verbindet die vordergründig harmlose Musik mit dem, was für ihn im Zentrum der Oper steht: Willkür, Macht, Aggression. Und ihm gelingen berauschend schöne Übergänge zwischen diesen Welten, wenn sich etwa Beethovens Musik wie subversiv ins Zwischenspiel einschleicht, um dann umso blendender ihre klassische Schönheit zu entfalten. […]