der gute gott von manhattan
schauspielhaus graz

2017 January

nach Ingeborg Bachmann

REGIE Claudia Bossard
BÜHNE UND KOSTÜME Monika Annabel Zimmer
MUSIK UND HÖRSPIEL Matthias Grübel
DRAMATURGIE Jennifer Weiss

mit Vera Bommer, Nico Link, Mathias Lodd, Tamara Semzov, Franz Xaver Zach
Premiere am 14. Januar 2017 In HAUS ZWEI

Gibt es die idealistische, selbstlose, weltvergessene Liebe überhaupt im realen Leben, oder besteht sie nur in der Fiktion? „Der gute Gott von Manhattan“ schildert in gewaltigen Sprachbildern die vollkommene Hingabe zweier Liebender, Jennifer und Jan, und ihr Scheitern. Ein „guter Gott“ muss sich vor dem Richter für seinen Mord an Jennifer verantworten und erzählt rückblickend von deren Begegnung im Herzen von Manhattan. Beide sind bloß auf der Durchreise, doch wenn sie zusammen sind, steht die Zeit plötzlich still. Für diesen Rückzug aus der Welt bestraft der „gute Gott“ sie, da ihre realitätsferne Liebe die gesellschaftliche Ordnung gefährdet. Und so siegt am Ende das kapitalistische, patriarchale System über zwei Schicksale, von denen lediglich die Revolte der mächtigen Sprache bleibt.

Jan und Jennifer erinnern an große Liebespaare wie „Romeo und Julia“. Wahrhaft ergreifend wird dieses Paar jedoch durch die biografischen Parallelen zu Ingeborg Bachmann und dem Lyriker Paul Celan. 1948 trafen und verliebten sie sich in Wien, dennoch verbrachten sie ihre Leben getrennt voneinander, mit anderen Partnern, namentlich Gisèle de Lestrange und Max Frisch. „Herzzeit“, 2008 erschienen, dokumentiert ihren Briefwechsel, der von Liebe und Tod, Leiden und Entfremdung, Widersprüchen und Geheimnissen zeugt und der zuletzt von Ruth Beckermann mit „Die Geträumten“, Gewinnerfilm der Diagonale 2016, verfilmt wurde. Celan, dessen Eltern im Konzentrationslager Michailowka ermordet wurden und Ingeborg Bachmann, deren Vater Mitglied der NSDAP war, unterlaufen die gesellschaftlichen Zerwürfnisse der Nachkriegszeit vor allem durch die Sprache, die sie teilen. Im Stück wie in den Briefen geht es um die Gewalt der Worte, die so tief verletzen können, dass man an ihnen zerbrechen kann. Und es geht um eine Sprache, die sich der Zeit und dem Gesetz entzieht, um Poesie als Triumph der Entgrenzung.

Zum 90. Geburtstag von Ingeborg Bachmann, einer der bedeutendsten österreichischen Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts, wird „Der gute Gott von Manhattan“ nun experimentierfreudig auf die Bühne gebracht. Claudia Bossard inszenierte in der vergangenen Spielzeit die Erfolgsproduktion „Lupus in Fabula“ von Henriette Dushe, die mit Einladungen zum Heidelberger Stückemarkt und zu den Berliner Autorentheatertagen ein großes überregionales Echo erfuhr.

Kritikenauswahl:

„Da ist auf schauspielerische Kompetenz dieser Gruppe zu verweisen, die das innere, retardierende Tempo der Wortbilder an entscheidenden Punkten greift und vermittelt. Höchst aufschlussreich die feine Gestik, mit der vor allem Tamara Semzov das ungewisse Hineintaumeln in diese Beziehung untermalt. Nicht minder denk-würdig der Wandel, den Vera Bommer glaubhaft vollzieht, wenn aus der distanzierten Advokatin die emphatische, brieflesende Bachmann wird. Das ist fein gearbeitet. […] Zu dem Hörspiel gehört natürlich auch die charismatische Soundinstallation von Matthias Grübel.“
(Reinhard Kriechbaum, nachtkritik.de, 14. Jänner)

„Ein poetisches Stück über die Verlorenheit und Unmöglichkeit der Liebe in einer grausam geordneten Welt.“
(Martin Gasser, Kronen Zeitung, 15. Jänner)